Missbrauch im Web – Chaträume

Chatten ist eine, besonders bei Jugendlichen, sehr beliebte Form der Kommunikation. Es gibt unglaublich viele Möglichkeiten, sich mit tausenden von Menschen auf der ganzen Welt über jedes noch so „abgefahrene“ Thema zu unterhalten. Die Anonymität, die durch den Chat gegeben ist, eröffnet zudem bisher ungekannte Möglichkeiten seine Persönlichkeit zu verändern. Sich mal ein paar Jahre älter machen oder als Erwachsener ausprobieren, ungezwungen ein paar Varianten der Partnersuche und des Flirtens ausprobieren, in die Rolle des anderen Geschlechts zu schlüpfen oder sich selbst besser darzustellen als man ist… Und wenn ́s ungemütlich wird: einfach den Chat wegklicken, Computer aus und alles ist vorbei.

In Chaträumen ist jedoch nicht nur das Paradies kommunikativer Jugendlicher zu Hause. Sie stellen die ideale Kontaktbörsen für Missbrauchstäter und Pädophile dar. Früher mussten sie mit nicht unerheblichem Risiko den Kontakt zu den Kindern in der Öffentlichkeit (z.B. Schwimmbad, Schule, Straße…) herstellen. Heute geht das unter Verwendung eines viel versprechenden Nicknames nahezu gefahrlos und viel einfacher im Chat.

Die Bandbreite der Übergrifflichkeiten reicht von nervigen sexuellen Anmachen bis hin zum Verschicken pornografischer Bilder / Filme oder sogar zu Verabredungen.

Durch raffinierte Fragen werden die Jugendlichen dabei ausgefragt: „Woher kommst du?“ „Wie siehst du aus?“, „Wie ist dein richtiger Name?“, „Auf welche Schule gehst du?“, Was tust du in deiner Freizeit?“, „Wie ist deine (E-Mail-) Adresse / Telefon-/ Handynummer?“. Sie geben sich oft als Gleichaltrige aus und stellen attraktive Fotos irgendwelcher Kinder ins Profil um Vertrauen zu schaffen. Andere verfolgen die Masche eines „lieben netten Onkels, mit dem man über alles reden kann“.

Im schlimmsten Fall werden die Jugendlichen dann via Telefon belästigt, bekommen Pornos auf ihr Handy oder ihren Computer geschickt oder werden vor der Schule oder der Wohnung angesprochen.

Missbrauchstäter befassen sich häufig lange und geduldig mit ihren potentiellen Opfern. Dabei bauen sie eine gewisse Vertrautheit auf und sammeln parallel Informationen, intime Gesprächsverläufe oder persönliche Bilder der potentiellen Opfer. Die Intimität und Sicherheit, die das Medium Internet vorgaukelt, hilft dabei. Mit der Zeit ergibt sich für die Täter ein sehr genaues Mosaikbild. Nach einigen Wochen oder manchmal auch erst nach Monaten verändert der Täter dann sein Verhalten und übt Druck mit Hilfe der gesammelten Informationen auf das Opfer aus.

Ein Beispiel

Kleinstadt Troisdorf: Chatter hat in seinem Profil seine Stadt angegeben und sagt mit seinem Nickname etwas über sein Hobby – Fußball. Er nennt sich z.B, „troisdorfsturm“. Damit hat ein potentieller Täter neben der Stadt einen Punkt, wo er sein Interesse wecken kann und ihn ausfragen kann. Wo trainierst du? Wer ist euer nächster Gegner? Bist du Stammspieler, Links- oder Rechtsaußen? …

Damit sollte der Chatter doch relativ zweifelsfrei zu identifizieren sein, wenn man sich das nächste Fußballspiel anschaut, oder? An den Namen kommt man dann auch relativ einfach: Wer ist denn der Kleine da im Sturm?

Vielleicht bekomme ich dann noch die Mailadresse unter dem Vorwand ihm ein paar coole Fußballbilder zu schicken. Weiterhin kann ein potentieller Täter das Opfer auf die „Freundschaftsliste“ im Chat setzen, damit er immer sieht, wann „sein Fußballstar“ online ist. Manchmal kommt man auch durch langes Nerven zum Ziel! Dann sind Belästigungen vielfältigster Art alle Wege geebnet. (Anrufe, Bilder/ Filme verschicken, SMS-Verkehr, Treffen, Beleidigungen, Erpressungen…)

Einen Vorwand, um sich zu treffen, findet sich in der Regel auch. Mädchen, die von einer Modellkariere träumen (Wer tut das in einem bestimmten Alter nicht?) werden zu harmlosen Fotoshootings eingeladen (nur Sportklamotten oder andere harmlose Bilder). Dabei werden direkt relativ hohe Geldsummen geboten oder Druck mit Hilfe von intimen Informationen ausgeübt. Und schon ist der Fisch an der Angel.

Fotos spielen eine große Rolle beim Chatten. Sie werden gerne im Profil gezeigt. Auf der einen Seite können Täter, aus speziell dafür erstellten Datenbänken, Bilder von Kindern aus dem Ausland (relative Garantien jemand unbekanntes zu sein) im eigenen Profil verwenden, um Vertrauen zu schaffen (der ist ja süß…) Andererseits liefern Fotos, neben anderer Identifizierungsmöglichkeiten für den Täter, oft auch jede Menge Hintergrundinformationen. Fotos aus dem letzten Urlaub oder von wilden Partys bieteen zahlreiche Gesprächsthemen.

Alles weit her geholt? Eher nicht. Viele Jugendliche berichten, dass es in Chats – besonders wenn es in die „Separees“ geht – thematisch oft schnell auf Sex hinausläuft. CS (Cyber-Sex), Bildertausch oder Cam2Cam-Verabredungen („Videokonferenz“) werden angeboten . Und das alles bei einer geschätzten Anzahl „professioneller“ Pädophiler von 50.000-60.000 Personen in Deutschland. Die Dunkelziffer wird mit bis zu 100.000 Tätern angegeben. Flächendeckend verteilt gibt es sie auch in ihrer Nähe!

Es geht nicht darum das chatten zu verteufeln oder gar zu verbieten. Wenn man die ein oder andere Regel beachtet, hat man beim Chatten relativ sicher seinen Spaß.

Einige Signale, die misstrauisch machen sollten:

 

  • Dein Gegenüber tut, als würde er dich sehr gut kennen
  • Er/sie findet es toll, dass du noch so jung bist
  • Schleimereien / übertrieben Komplimente
  • Genaue Fragen nach deinem Aussehen (z.B.: hast du schon Schamhaare…)
  • Hauptthema ist Sex. Entsprechend versaute Wortwahl
  • Fragen nach eigenen sexuellen Erfahrungen und Wunsch nach erwachsenem Freund / Freundin?
  • Sexualisierter Nickname (z.B.: cybermanfor6; heiße-suesse, taschengeldfürdich, kissmybody)
  • Fragen, ob du allein vor dem Bildschirm sitzt
  • Unbedingter Wunsch mit dir zu telefonieren
  • Ausfragen (Adresse, richtiger Name, Schule…)
  • Überredung zum Treffen
  • Großzügige Versprechen/Geschenke, Angebote leicht Geld zu verdienen (Modell…)
  • Einladung zu Fotoshootings oder Filmrollen
  • Erpressungsversuche oder Verängstigungen (wenn du das nicht machst, montiereich das Gesicht von deinem Foto in ein Pornobild und setze es ins Netz!)
  • Chatten soll ein Geheimnis seinRegeln für sicheres Chatten:
  • Nie den wirklichen Namen, Adresse, E-mail, Telefon-/Handynummer oder Schuladresse angeben!
  • Anmeldebögen im Chat faken! Fantasienamen und –adressen sind keine Lügen sondern bieten einen Schutz für dich! Gleiches gilt für Geburtsdaten und Stadt…
  • Niemals Chatfreunden Passwörter anvertrauen. (Haustürschlüssel gibt man doch auch nicht einfach so weiter)
  • Nicknames wählen, die keine Hinweise auf deine eigene Person geben. ACHTUNG: Ungeschickt gewählte Nicks locken Täter geradezu an! Z.B.: suesse12w, tangalady, loverboy13…)
  • Persönliche Informationen über dich und deine Freunde / Familie nicht rausgeben. Chatpartnern sollte man lange nicht so viel erzählen wie einer echten Freundin oder einem Freund
  • Bedenken: niemand weiß, wer sich hinter fremden Nicknames verbirgt. Manchmal sind es Erwachsene. Oder: jemand aus der Schule, den du nicht erkannt hast und ihm intime Details verrätst chattet mit dir…
  • Gesundes Misstrauen im Chat ist angebracht (Bauchgefühl!)
  • Bei Treffen unbedingt einen Erwachsenen zum ersten Termin mitnehmen! Ort sowählen, dass auf jeden Fall andere Menschen sich dort aufhalten (Café…)
  • Keine Fotos ins Profil stellen oder solche versenden. Erst recht keine in sexyKleidung / Bikini / Unterwäsche…
  • Auch wenn die Regeln nicht beachtet werden: Es trifft dich bei Belästigungen /Missbrauch keine Schuld. Die hat immer der Täter!